Kitas und Schulen öffnen oder nicht?
Was wurde beschlossen und was spricht derzeit für oder gegen eine Öffnung?
Am vergangenen Mittwoch (10. Februar) haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten beschlossen, dass die Länder über die Frage entscheiden dürfen, ob und in welchem Umfang sie Kitas und Schulen öffnen. Auch wenn es in der Presse anders vermittelt wird: Die Runde hat nicht beschlossen, dass Kitas und Schulen öffnen oder wann und wie das der Fall sein wird. Sie hat es jedoch den Ländern überlassen, dies zu entscheiden.
Was wurde denn nun genau beschlossen?
In der Beschlussvorlage, die wir am Ende im Wortlaut abdrucken, steht inhaltlich lediglich, dass die Kitas und Schulen als erstes wieder geöffnet werden sollen. Wann oder wie das der Fall sein wird, wurde gestern nicht beschlossen, da die Länder die Entscheidungshoheit über diesen Punkt haben. Wenn in früheren Sitzungen zum Beispiel beschlossen wurde, dass Kitas und Schulen geschlossen würden, dann war dies nur möglich, weil die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten hier gemeinsam handeln wollten und sich dem öffentlichen Druck – bzw. dem der Bundesregierung – gebeugt haben.
Werden Kitas oder Schulen denn nun geöffnet oder nicht?
Ob und wann Kitas und Schulen wieder geöffnet werden, entscheiden die Landesregierungen der 16 Bundesländer einzeln. Erste Länder haben bereits angekündigt, dass sie die Kitas und Schulen am 15. Februar (bisher: Sachsen und Niedersachsen) oder am 22. Februar (z.B. Baden-Württemberg, Berlin und Brandenburg) wieder öffnen wollen. Andere Länder werden voraussichtlich später öffnen. Allerdings heißt das nicht, dass alle Schülerinnen und Schüler wieder jeden Tag in die Schule gehen werden.
Wir informieren Euch auf Corona-was-darf-ich über die aktuellen Regelungen bzw. voraussichtlichen Termine und Regelungen für die Öffnungen von Kitas und Schulen.
Wie werden Kitas und Schulen denn nun geöffnet?
Bisher gibt es keine Details, aber es liegt die Vermutung nahe, dass es in den Kitas einen eingeschränkten Regelbetrieb geben wird und in den Schulen die Klassen 1 bis 6 den Anfang machen.
Eingeschränkter Regelbetrieb heißt, dass die Kitas zunehmend für bestimmte Gruppen von Eltern geöffnet werden oder eine bestimmte Zahl an Kindern vorgegeben werden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist vermutlich davon auszugehen, dass viele Eltern ihre Kinder auch weiterhin nicht in die Kita bringen werden.
In den Schulen könnte es zu einem Wechselunterricht mit verkleinerten (halben?) Klassen kommen, wobei die Hygiene- und weitere Vorschriften eingehalten werden müssen.
Was spricht für, was gegen die Öffnung von Kitas und Schulen?
Es gibt sowohl Gründe, die für eine teilweise Öffnung sprechen, als auch Gründe, die gegen eine Öffnung sprechen. Und die Eltern sind hier auch sehr gespalten. Wir fassen hier zunächst die Gründe zusammen, die für eine Öffnung sprechen – unten benennen wir dann die Gründe, die gegen eine Öffnung sprechen. Es geht uns dabei nicht darum zu sagen, was wir besser finden, sondern lediglich die jeweiligen Punkte zu benennen.
Warum wird überhaupt über die Öffnung von Kitas und Schulen diskutiert?
Für eine Öffnung sprechen ganz unterschiedliche Gründe: Zum einen stehen viele Kinder unter einem starken psychischen Druck. So zeigt eine gerade veröffentlichte Studie (hier findest du einen kurzen Bericht zur Studie), dass ein Drittel der Kinder und Jugendlichen sich stark gestresst fühlen. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben: da die Familien, also Eltern und Kinder, sehr viel aufeinander hocken und oft auch nur wenig nach draußen gehen, kommt es häufiger zu Streitigkeiten. Sie können auch einfach ihre Freunde vermissen, die sie oft in der Kita oder Schule sehen. Es ist schon ungewöhnlich, wenn man über so lange Zeit immer nur einen Freund oder eine Freundin treffen darf und sich sehr oft ganz alleine beschäftigen muss, zum Beispiel, weil die Eltern gerade auch arbeiten müssen.
Viele Kinder müssen jetzt ja auch jeden Tag zuhause lernen, sei es, dass der Unterricht im Klassenverband über den Computer stattfindet und/oder sie bekommen Materialien zum Lernen per Email oder Post zugeschickt oder müssen diese in der Schule abholen. Auch viele Kitas schicken ihren Kindern Lernanregungen nach Hause. Das Lernen zuhause funktioniert aber oft nicht so gut, z.B. weil mehrere Kinder gleichzeitig lernen oder manche spielen, während der Bruder oder die Schwester lernen muss. Andere Kinder haben kein eigenes Zimmer, vielleicht gar keinen oder nur einen Computer, den sich alle Kinder – und vielleicht auch noch die Eltern – teilen müssen. Eltern, die kein deutsch sprechen oder selbst nur eine geringe Schulbildung haben, können den Kindern beim Lernen nicht helfen, deswegen lernen die Kinder nicht so viel, wie sonst in der Schule. Manche verlernen sogar den Stoff wieder, weil sie zu wenig lernen. Oder sie verlernen die deutsche Sprache, weil sie zuhause kein Deutsch sprechen. Und selbst Eltern, die studiert haben, können ihren Kindern nicht immer helfen. Ich kann unserem Sohn zwar bei Mathe und Englisch helfen, nicht aber bei Biologie oder so manch anderem Fach.
Zum anderen sind viele Eltern mittlerweile mit ihren Kräften am Ende, weil sie oft gleichzeitig arbeiten und sich um die Kinder kümmern müssen. Viele Eltern müssen – oder wollen – sich wieder stärker um ihre Pflichten als Arbeitnehmer/in oder Selbständige kümmern. Die Welt bleibt ja nicht stehen und auch die Chefs oder Auftraggeber haben möglicherweise Aufgaben, die dringend erledigt werden müssen. Das Unternehmen, in dem die Eltern arbeiten, muss ja auch irgendwie über die Runden kommen. Andere Eltern haben Angst, vielleicht, weil sie in Kurzarbeit oder arbeitslos geworden sind, weil sie nicht wissen, ob der Betrieb die lange Schließzeit wirtschaftlich übersteht usw.
Ferner gibt es Befürchtungen, dass die Gewalt innerhalb von Familien ansteigen, und dies insbesondere die Familien betrifft, die auch an anderen Stellen ungünstigere Rahmenbedingungen haben (siehe z.B. diesen Artikel).
Warum sollten Kinder noch nicht wieder in Kitas und Schulen gehen?
Gegen die schnelle Öffnung von Kitas und Schulen spricht einerseits das Risiko, dass sich Kinder und Jugendliche oder Erzieherinnen und Erzieher bzw. die Lehrkräfte mit dem COVID 19-Virus infizieren und (schwer) erkranken können. Andererseits ist nicht auszuschließen, dass sich durch das verstärkte Zusammentreffen von Kindern und Jugendlichen das Infektionsgeschehen wieder etwas beschleunigt und der Abwärtstrend der letzten Wochen aufgehalten und unter Umständen auch wieder zu ansteigenden Inzidenzwerten führen kann. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das höhere Ansteckungsrisiko der Mutanten aus Großbritannien und Südafrika.
Des Weiteren sind die Wege von und zur Schule riskant, insbesondere, wenn diese in (überfüllten) Bussen und Bahnen erfolgen. Und natürlich bleibt das Risiko bestehen, dass sich Kinder und Jugendliche außerhalb des Klassenraumes oder Schulhofes in Gruppen zusammenstehen und ohne Masken und ausreichenden miteinander sprechen.
Wer ist für die Öffnung von Kitas und Schulen und warum?
Neben den Gründen, die aus Eltern oder Kindersicht für eine Öffnung sprechen können, gibt es auch Wirtschaftsverbände, Ökonominnen und Ökonomen, Journalistinnen und Journalisten, die sich sehr stark dafür einsetzen, dass die Schulen wieder aufmachen. Zum einen spielen Eigeninteressen eine Rolle, zum Beispiel, wenn Arbeitgeber fordern, dass die Kitas und Schulen wieder aufmachen, damit die Eltern wieder normal arbeiten können. Andere Organisationen, wie auch Ökonominnen und Ökonomen verweisen darauf, dass Kinder zuhause weniger lernen, und zwar insbesondere die Kinder, deren Eltern ihnen nicht helfen können, die vielleicht keinen Computer haben etc.
Wer ist gegen die Öffnung von Kitas und Schulen und warum?
Viele Elternverbände und Eltern, aber auch Gewerkschaften und Lehrerverbände sind tendenziell eher gegen die Öffnung von Schulen – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Eltern sehen die Gesundheit ihrer Kinder in Gefahr, die Gewerkschaften und Lehrerverbände stellen das Gesundheitsrisiko für Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte in den Vordergrund.
Mit Blick auf die Erzieherinnen und Erzieher haben verschiedene Untersuchungen von Krankenkassen herausgefunden, dass diese die Berufsgruppe mit der höchsten Quote an Krankmeldungen sind. Auch wenn man hier Mängel in der Datengrundlage anführen kann, ist die zumindest ein Indiz für eine hohe Gefährdung. Das gilt umso mehr, als der Umgang mit kleinen Kindern in aller Regel nicht mit der Maske vor dem Gesicht erfolgen kann und auch eine häufige körperliche Nähe zwischen Erzieherin und Kind gegeben ist.
Folgt man den Presseberichten, dann ist auch die Bundeskanzlerin gehen eine vorschnelle Öffnung von Kitas und Schulen gewesen, auch wenn sie grundsätzlich der Auffassung ist, dass Kitas und Schulen als erste Einrichtungen wieder öffnen sollen.
Der Beschluss zu Kitas und Schulen im Wortlaut:
„Kinder und Jugendliche sind, ebenso wie ihre Eltern, besonders von den Einschränkungen betroffen. Um Bildung und Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, haben Öffnungen im Betreuungs- und Bildungsbereich daher Priorität. Dieser Bereich soll daher als erster schrittweise wieder geöffnet werden. Masken, Lüften und Hygienemaßnahmen werden dabei weiterhin nötig sein. Wo immer möglich, sollten medizinische Masken verwendet werden. Vermehrt sollen auch Schnelltests den sicheren Unterricht und die sichere Betreuung und Bildung in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege ermöglichen und Infektionsrisiken minimieren. Angesichts der hohen gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung und Betreuung für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern und angesichts der Schwierigkeit, im Berufsalltag von Kindertagesstätten und Grundschulen Abstandsregeln umzusetzen, bitten Bund und Länder den Bundesminister der Gesundheit in Absprache mit der GMK zu prüfen, ob bei der nächsten Fortschreibung der Coronavirus-Impfverordnung Beschäftigte in der Kindertagesbetreuung sowie Grundschullehrerinnen und -lehrer frühzeitiger als bisher vorgesehen -in der Kategorie 2 mit hoher Priorität geimpft werden können. Die Länder entscheiden im Rahmen ihrer Kultushoheit über die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertagesbetreuung. Sie werden gleichzeitig ihre Anstrengungen vergrößern, die Digitalisierung des Lernens zu befördern, um Teilungsunterricht und das schrittweise Hochfahren zu flankieren. Der Bund unterstützt dies durch den Digitalpakt Schule einschließlich der Sofortprogramme für Endgeräte von Schülern und Lehrern.“
Ein früherer Artikel fasst die Argumente für und gegen eine Öffnung aus einer anderen Perspektive zusammen (siehe hier).
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