"Jeder ist seiner eigenen Bildung Schmied"
Bildungsforscher Klaus Hurrelmann im Gespräch
Dr. Klaus Hurrelmann hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche besser zu verstehen. Zu diesem Zweck befragt er sie selbst – beispielsweise zu ihrer politischen Einstellung oder dem Verhältnis zu ihren Eltern. Dabei stellt er auch fest, dass nicht alle Kinder die gleichen Voraussetzungen haben. Erfolgreich werden können sie aber trotzdem, wenn sie gute Impulse bekommen.
YF: Das Zeit Magazin hat Sie als „ewigen Klassensprecher“ bezeichnet. Woher kommt dieser Spitzname?
KH: Der Journalist wollte damit sagen, dass ich mich sehr dafür einsetze, dass Kinder und Jugendliche eine Stimme haben und dass sie in der Öffentlichkeit gehört werden. Dass man sich also ein Bild machen kann: So denkt die Mehrheit der jungen Leute. Also bin ich gewissermaßen ein Fürsprecher, einer, der wie ein Sprachrohr für die junge Generation tätig ist.
YF: Sie forschen auch zum Thema Bildungsungerechtigkeit. Woher kommt Bildungsungerechtigkeit? Und wie zeigt sich diese während Corona?
KH: Wir haben in allen Ländern der Welt die Situation, dass es Kinder gibt, die aus Elternhäusern kommen, in denen die Eltern wirtschaftlich einigermaßen gut dastehen und in denen die Eltern selbst auch eine gute Bildung haben. Diese Eltern haben einfach ein besseres Rüstzeug. Ihre Kinder schneiden besser ab. Sie bekommen die besseren Noten, die besseren Abschlüsse.
Kinder aus den gut sortierten Elternhäusern können sich hervorragend über die Krise hinweghelfen, auch wenn die Schule mal ausfällt. Und die Kinder aus den ärmeren Elternhäusern mit Eltern, die nicht sehr gut gebildet sind, die rutschen eher weg. Diese Eltern brauchen jetzt ganz gezielte Anregungen und ganz gezielte Tipps, was man auf engstem Raum machen kann. Es muss etwas sein, wo man mit den Eltern zusammen ein Programm entwickelt, bei dem die Eltern selbst das Gefühl haben: „Joa klar, das können wir hier bei uns machen und das leuchtet mir auch ein“.
Ungleichheiten schaffen immer Unruhe in einer Gesellschaft. Ein kleines Maß von Ungleichheit wird von allen akzeptiert. Dann entsteht da ein Eindruck, das beruht auf unterschiedlichen Leistungen. Aber wenn die sehr stark werden, dann spüren alle, dass dahinter eine strukturelle Ungleichheit steht. Dann knistert und knackt es sozusagen im Gebälk des Zusammenhalts.
YF: Wenn Sie die Möglichkeit hätten in jedes Klassenzimmer so eine Art Motivationsspruch zu hängen. Was würden sie schreiben?
KH: In der Grundschule müsste das sicher ein bisschen anders lauten als in der gymnasialen Oberstufe, aber der gemeinsame Nenner wäre: “Jeder ist seiner eigenen Bildung Schmied”. Also man ist im Grunde derjenige, der entscheidet, was aus einem selbst wird. Man hat diese Möglichkeiten der Selbststeuerung, egal aus welchem Elternhaus man kommt, braucht dafür allerdings gute Impulse und gute Anregungen.
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