"Kinder sind entspannter als man denkt!"
Experten erklären, warum nicht die Trennung das Trauma macht
Kontaktbeschränkungen und Home-Office. Vielleicht wieder ein Lockdown. All diese Beschlüsse bedeuten, dass Familien häufig die eigenen Wände nicht verlassen können. Für manche heißt es „Entschleunigung“, für andere wiederum dauernd „aufeinander zu hocken“. Für Kinder ist es besonders belastend, wenn es zu Hause eng wird. Was kannst du tun, wenn du dich von deinem Partner oder deiner Partnerin trennen möchtest?
Wir von der ElternHotline haben deshalb mit zwei Therapeuten gesprochen. Sie erklären, wie eine Trennung, bei der sich die Situation für die Kinder verbessert, gelingen kann.
Wann ist es sinnvoll über die Trennung nachzudenken?
„Es war in der Zeit des Lockdowns so, dass viele Paare aufeinander hockten mitsamt ihren Konflikten,“ bestätigt Joachim Braun. Dabei „kommen Dinge heraus, die vorher nur geschwelt haben. Das ist auch eine Chance, sich mit dem auseinanderzusetzen, was man vorher nicht erkannt hat. Dass man daran arbeiten kann und dass man da auch was lösen kann.“
Ob Trennung immer die beste Reaktion darauf ist? Robert Coordes rät erstmal zur Vorsicht: „Wir versuchen in unseren Sitzungen, gerade was Entscheidungen angeht, den Ball flachzuhalten. Die Krise ist wie eine Art Verstärker: In die eine oder andere Richtung.“
Aber: Nicht wenige haben ihren Job verloren, mussten ihr Geschäft aufgeben, müssen vielleicht eine günstigere Wohnung suchen. Viele müssen neben der Organisation des Familienlebens noch die Lernbegleitung für die Kinder übernehmen. Irgendwann geht es nicht mehr.
„Wenn ich nicht vor oder zurück weiß, dann würde ich immer empfehlen, externe Hilfe heranzuholen. Das ist auch kein Armutszeugnis.“
Wann ist eine Trennung wirklich die Lösung?
Lena ist Mitte 30. Sie hat zwei Kinder, eines geht noch in den Kindergarten, das ältere schon in die Schule. Mit ihrer Karriere ist Lena glücklich. Anders sieht es mit ihrer Beziehung aus. Als ihr Freund einmal handgreiflich wurde, stand sie kurz vor der Anzeige. Wegen der ständigen Streitigkeiten ist sie jetzt in Therapie und spricht regelmäßig mit ihren Freundinnen.
Hier im ElternHotline-Magazin berichtete sie, wie schwer es ist, sich mit zwei Kindern von ihrem Partner zu trennen. Auch und vor allem, weil sie in Berlin keine Wohnung findet, die preiswert und groß genug ist.
„Die Wellen,“ wie sie sagt, sind innerlich „zu hoch.“
Joachim Braun hat dazu eine klare Haltung: „Mein Gefühl war, dass die Lena dringend raus muss, aus der Beziehung. Da könnte so eine Corona-Situation tatsächlich hinführen: Ich muss aus dieser Situation raus mit den Kindern.“
Ähnlich sieht das Robert Coordes: „Wenn das immer auf Verachtung basiert, immer laut wird, immer gleich im Streit endet – dann kann man nicht wirklich einen Fahrplan entwickeln, weil niemand mehr da ist, der sich an den Fahrplan halten kann.“
"Die Trennung ist kein Scheitern, sondern Lebenserfahrung"
Wenn ein Paar an diesem Punkt ist, dann dürfen sich beide Teile eingestehen, dass es besser ist, sich zu trennen. „Es gibt nichts Schlimmeres, als dauerhaft in einer Zone zu leben, wo man sich nicht entfalten kann und Demütigung erfährt.“
Coordes macht sich Sorgen: „Ich sehe einen Riesenkonflikt zwischen alles muss gelingen – Familienglück forever – wie in dieser Instagram-Welt und auf der anderen Seite: absolute Unsicherheit."
Trotz großer romantischer Ideale scheitert die Beziehung oft an den Ansprüchen des Alltags.
Für Braun ist das kein „Scheitern“, sondern „Lebenserfahrung“. Und er geht noch weiter: „Man muss durch diesen Scheitern-Prozess durch. Damit man dieses Denken von retten und scheitern und siegen überwindet. Dass man das rausschmeißt, dieses Vokabular.“
Kinder spüren die Energie der Beziehung
Für Kinder bedeutet eine Trennung Druck. Es macht ihnen Angst, wenn – wie Robert Coordes es sagt – „die Götter Streit haben“. Kinder kriegen die Energie der Beziehung mit. Sie wissen nicht, welche Regeln hier herrschen. Sie lernen es selbst erst beim Erwachsenwerden.
„Ein Kind sollte nicht auf einer emotionalen Ebene arbeiten, auf die es nicht gehört. Das erzeugt so etwas wie Schuld und das ist destruktiv.“
Joachim Braun ist da konsequent: „Es ist wichtig, dass man die Trennung offen und transparent macht – und die Kinder aus dieser Schuld entlässt und ihnen weiter den Kontakt zu beiden Elternteilen ermöglicht.“
„Das eine ist meine Beziehung und das andere sind die Kinder. Da muss ich mein Bestmögliches tun, dass sie zu beiden Teilen Kontakt haben.“
Der Diplom-Psychologe Coordes kommt zum selben Ergebnis: „Ideal wäre es, wenn sich beide Partner auf die Trennung einigen könnten. Denn Kinder sind entspannter als man glaubt.“
Du suchst Unterstützung bei Partnerschaftskonflikten oder überlegst selbst, dich zu trennen? Hier erhältst du weitere Infos.
Dass die Corona-Krise auch Kinder stark belastet, kannst du hier nachlesen. Der Bildungsexperte Klaus Hurrelmann sagt deshalb: "Kinder wollen ernst genommen werden!"
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