„Ich hätte mir gewünscht, dass jemand sagt: Deine Überforderung ist in Ordnung“
Christin Schäfer ist alleinerziehende Mutter und Mitgründerin der ElternHotline
Durch das Corona-Virus wurde unsere Welt auf den Kopf gestellt. Unser Alltag hat sich verändert und wir stehen vor neuen Herausforderungen. Wir möchten sowohl mit Eltern als auch mit Kindern über ihre Erfahrungen sprechen. Denn nur, wenn beide Gruppen eine Stimme haben, können wir von Groß und Klein lernen und auf diesem Weg sowohl für Eltern als auch für Kinder da sein.
Christin ist nicht nur alleinerziehende Mutter einer mittlerweile erwachsenen Tochter, sondern gehört mit Dieter Dohmen dem Gründungsteam der ElternHotline an. Christin ist Mitte 40 und beschäftigt sich beruflich mit Statistiken und Daten. Sie ist in Kassel aufgewachsen und lebt heute in Berlin.
Die Corona-Krise weckt Erinnerungen an die Zeit als ihre Tochter noch klein war. Mit Anfang 20 hat Christin ein Mädchen bekommen. Angreifbar und verletzlich habe sie sich als junge Mama gefühlt. Sie musste finanziell für ihre Familie aufkommen und war selbst noch am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn, größere Ersparnisse gab es nicht. Und dazu die schlaflosen Nächte: “Schlafentzug ist eine Foltermethode”. Mit dem Vater ihrer Tochter war sie kurz nach der Geburt nicht mehr zusammen, sie musste die Herausforderungen alleine bewältigen. Wäre damals noch eine Corona-Krise gewesen, sie wäre verrückt geworden.
Zwischen Herzensliebe und Erschöpfung
„Du sitzt nächtelang an diesem Bett. Du bist immer wach. Ich habe irgendwann nur noch geheult und ich konnte nicht mehr – und doch habe ich dieses Wesen über alles lieb gehabt.” Diese innere Zerrissenheit wird von der Gesellschaft viel zu wenig gesehen, sagt Christin.
"Ich habe mir so gewünscht, dass jemand sagt, deine Überforderung und deine Konflikte: Das ist in Ordnung“. Gesehen und gewürdigt zu werden mit dem was ist, das hätte ihr viel mehr geholfen, als jedes Mitleid, sagt Christin. Heute blickt sie zurück und möchte mit der ElternHotline allen Müttern und Vätern diese Hilfe bieten. Wenn sie nicht mehr konnte, hat sich Christin eine einfache Frage gestellt: Wenn du dein bester Freund wärst, wie würdest du jetzt mit dir selbst sprechen?
Mit dem Fahrplan von Bus und Bahn in die Unabhängigkeit
Da es keine Großeltern in Berlin gab und Christin gearbeitet hat, musste ihre Tochter notgedrungen auf eigenen Beinen stehen. Um die Unabhängigkeit ihrer Tochter früh zu trainieren, ist sie mit ihr am Wochenende mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Sie sind irgendwo ausgestiegen in Berlin. Dann hat Christin ihrer Tochter den Übersichtsplan der öffentlichen Verkehrsmittel in die Hand gedrückt und gesagt: „Finde den Weg nach Hause, ganz egal, wie lange es dauert.“ Dann hat sich Christin still daneben gesetzt und ihre Tochter machen lassen. „Traut euren Kindern etwas zu, sie können so viel mehr, als ihr denkt! Ich wusste, selbst wenn ich sie mal nicht hätte abholen können, sie hätte den Weg nach Hause gefunden. Meine Tochter war auch immer stolz drauf, dass sie den Weg nach Hause gefunden hat. Das hat sie dann am Telefon der Oma erzählt."
Bei der Kindererziehung hilft kein ganzes „Dorf“ mehr mit
Heutzutage sind Eltern bei der Erziehung stark auf sich selbst zurückgeworfen, da Familien nicht mehr unbedingt generationsübergreifend in einem Haus leben. Alleinerziehend zu sein bedeutet, dass alles auf einem Schulterpaar lastet. Häufig habe ihr die andere Schulter zum Anlehnen gefehlt, einfach auch wieder Partnerin und nicht nur Mama, Putzfrau und Arbeitnehmerin zu sein: „Es hat geklappt, aber Glück ist etwas anderes."
In unserem Magazin berichten wir aus verschiedenen Perspektiven über das Leben als Familie. Viermal haben wir bisher Eltern zu Wort kommen lassen: Jan-Marco als Vater eines kleinen Sohnes, Sarah eine junge Lehrkraft, die Studentin Lea und die Kindergartenleiterin Svenja.
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