„Ich möchte dauerhaft etwas verändern!“

„Erzähl doch mal!“ – Familien berichten aus ihrem Alltag

Durch das Corona-Virus wurde unsere Welt auf den Kopf gestellt. Unser Alltag hat sich verändert und wir stehen vor neuen Herausforderungen. Wir möchten sowohl mit Eltern als auch mit Kindern über ihre Erfahrungen sprechen. Denn nur, wenn beide Gruppen eine Stimme haben, können wir von Groß und Klein lernen und auf diesem Weg sowohl für Eltern als auch für Kinder da sein.

„Ich möchte dauerhaft etwas verändern!“

Es berichteten bereits Lea als alleinerziehende und Svenja als systemrelevante Mutter. Der 13-jährige Lukas sprach aus der Perspektive als Sohn und Schüler. Zuletzt kam Sarah, 30-jährige Lehrkraft, zu Wort.

Heute erzählt Jan-Marco, der Vater eines 2-jährigen Sohnes, was er seit dem Lockdown besser machen will.

Mit dem Sohn spielen und kreativ werden

Mit 2 Einkommen und einer relativ bezahlbaren Wohnung sind Jan-Marco und seine Partnerin von Existenzängsten verschont geblieben. Als Erziehungskraft in einer Krisenwohngruppe für Jugendliche war seine Arbeit zusätzlich systemrelevant – die Situation empfand er als machbar.

„Da ich hauptsächlich nachts arbeite und meine Freundin tagsüber, hatten wir die Möglichkeit, die Zeit mit unserem Kind aufzuteilen.“ Tagsüber war er mit seinem Sohn zu zweit und gemeinsam sind sie kreativ geworden: „Wir haben eine Murmelbahn gebaut!“

Außerdem wurde ihnen bewusst, dass die Enge kein Dauerzustand für ihren Sohn sein kann.

Trotz der Bestimmungen hielten sie den Kontakt zu einer befreundeten Familie aufrecht. Kinder brauchen den Körperkontakt, die emotionale Bindung zu Gleichaltrigen.

Das durfte nicht wegfallen.

„Es hat sich eine besondere Achtsamkeit eingestellt“

Aber auch die Beziehung mit seiner Partnerin war mit einem Schlag ganz anders. „Zu Beginn der Kontaktbeschränkungen und der Einschränkungen des öffentlichen Lebens hat sich bei uns schnell so eine Art besondere Achtsamkeit füreinander eingestellt.“

Es ist sicher manchmal nicht einfach nachzuvollziehen, aber gerade im Lockdown fiel es dem 30-jährigen Jan-Marco leichter, ein aufmerksamerer Vater zu sein. „Vielleicht hat sich dadurch auch die Chance für uns ergeben, dauerhaft mehr Gleichberechtigung bei der Aufgabenverteilung und in der Fürsorge für unser Kind herzustellen.“

„Vorher hab ich mich nur selbst entlastet“

Vielleicht waren es das langsamere Tempo oder weniger Alltagsdruck, die Jan-Marcos Selbstverständnis als Vater verändert haben. Er gibt zu, dass er vorher bei den üblichen „gesellschaftlichen Zwängen wie Produktivität, Profilierungszwang und Konkurrenz ziemlich oft in eine traditionelle Aufgabenverteilung geflohen“ ist.

„Aus egoistischen Motiven, um mich selbst zu entlasten.“

„Ich möchte das weiterhin ändern. Auch wenn es ziemlich schnell ging, dass alles um einen herum wieder an Fahrt aufgenommen hat.“ Er befürchtet, dass von den „eventuell sogar gewonnenen Erkenntnissen nicht viel übrig bleiben könnte.“

Es fehlen Familie und Freundeskreis als Unterstützung

Jetzt geht die Hektik des Alltags wieder los und es ist immer noch schwer, den Kleinen wie früher „in der Familie oder im Freundeskreis abgeben zu können.“

Deshalb fehlt in der Beziehung die Zeit zu zweit.

„Zeit, in der wir uns gegenseitig hätten aufbauen und vor allem zusammen hätten reflektieren können. Ich habe nicht das Gefühl, dass zu irgendeinem Zeitpunkt dafür im privaten oder öffentlichen Raum richtig Platz geschaffen wurde.“

„Ich will mich mit meiner Familie nicht isolieren müssen“

Für besonders familienfreundlich hält Jan-Marco das Leben in Deutschland nicht. „Als besonders herausfordernd empfinde ich es, mit meiner Familie eine Rolle im öffentlichen sozialen Leben zu finden.“ Er spürt den Druck von außen, sich mit seiner Familie isolieren zu müssen.

Zu wenig Orte sieht er, an denen Kinder gern gesehen sind. Im Alltag vieler kinderloser Menschen kommen sie gar nicht erst vor. „Während der Einschränkungen durch Covid-19 hatten wir das Gefühl, auf uns allein gestellt zu sein – trotz unserer ganzen Privilegien und Möglichkeiten.“

Und wie so viele will er dabei nicht die Aufmerksamkeit ganz für sich und seine Situation. Er denkt an diejenigen, die weniger Privilegien genießen: „Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, welcher Druck sich in Familien aufgebaut haben muss, die sich in existentieller Not befunden haben oder noch befinden.“

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