Kinder und Corona: Wie ansteckend sind sie wirklich?
Die Ergebnisse aktueller Studien zusammengefasst
Zu der Frage, ob und wie viele Kinder sich mit dem Corona-Virus infizieren und es weitergeben, gibt es immer wieder neue Studien und doch gibt es keine endgültige Antwort auf die Frage. Auf der einen Seite gibt es Studien, die eine geringe Zahl an infizierten Kindern ermitteln, auf der anderen Seite zeigen Antikörperstudien, dass möglicherweise deutlich mehr Kinder mit COVID-19 infiziert waren als gemeldet wurden.
Die offiziellen Zahlen sind relativ niedrig
Schaut man sich die offiziellen Angaben zur Zahl der infizierten Kinder an, dann scheinen sie eine eher kleinere Rolle im Infektionsgeschehen zu spielen: In den letzten beiden Wochen (KW 44/45) wurden insgesamt 34.500 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre als infiziert gemeldet. Das wären etwa 0,45% aller Kinder und Jugendlichen in diesem Alter. Auffallend ist dabei allerdings der starke Anstieg in den letzten Wochen; vor gut einem Monat lag dieser Wert noch bei unter 0,1% (siehe Abbildung).
Schaut man sich die Altersgruppen an, dann waren zuletzt 10.600 0-9-Jährige (0,14% dieser Altersgruppe) und 23.900 10-19-Jährige (0,31% der Altersgruppe) infiziert.
Einige Studien sagen, dass sich wenig Kinder infizieren
Verschiedene Studien fanden ebenfalls heraus, dass sich vergleichsweise wenige Kinder anstecken. Wichtig ist hier die sächsische Corona-Schulstudie, die rund 2.500 SchülerInnen und Lehrkräfte im September und nach den Herbstferien getestet hatte (2.439 Abstriche und 2.197 Bluttests). Diese Studie fand 0,4% infizierte SchülerInnen und 1% infizierte Lehrkräfte. Das Kultusministerium verbreitet diese Studie mit der Überschrift „Weiterhin geringe Infektionslage an Sachsens Schulen“. In Zahlen sowie Anteilen erscheint dies auf den ersten Blick klar. Auf den zweiten ergeben sich allerdings ein paar Fragezeichen. Soweit ersichtlich handelt es sich um einzelne Tests, bei denen 400 je 100.000 Bezugspersonen bei den SchülerInnen infiziert waren und 1.000 von 100.000 Lehrkräften.
Auch eine andere Studie aus Hessen kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Sie untersuchte 800 Kita-Kinder über mehrere Wochen, ohne dass ein infiziertes Kind entdeckt wurde. Lediglich zwei ErzieherInnen waren infiziert. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, wie man die die Ergebnisse einschätzen soll. So würde eine Inzidenz von 40 Kindern je 100.000 über 4 Wochen bedeuten, dass unter 1.000 Kindern durchschnittlich nur 0,4, also weniger als 1 Kind infiziert wäre. Im August und September lag die Inzidenz bei 30 beziehungsweise 40 je 100.000 null- bis 9-jährigen Kindern. Es stellt sich die Frage, ob die Zahl der untersuchten Kinder wirklich ausreichend ist, um sichere Aussagen zu treffen. Es müssten nämlich mindestens 2.500 Kinder untersucht werden, um mit hoher Wahrscheinlichkeit ein einziges infiziertes Kind in der Gruppe zu haben. Hinzu kommen Faktoren wie die großen regionalen Unterschiede im Infektionsgeschehen und unterschiedliche Risikovorsorgen, also Schutzmaßnahmen, in den untersuchten Gebieten. Auch Sandra Ciesek, die Hauptautorin der Studie, sagt, dass die Studie wiederholt werden soll, wenn es ein höheres Infektionsgeschehen gibt als im Spätsommer.
Die Antikörperstudien widersprechen
Grundsätzlich werden nur geringe Infektionszahlen von Kindern gemeldet, was in Widerspruch zu Antikörperstudien des Deutschen Forschungszentrums für Gesundheit und Umwelt steht. Die Studie beweist, dass im Zeitraum Januar und Juni 2020 bei 12.000 Blutproben von 0- bis 18-Jährigen bei 0,87% der Untersuchten Antikörper nachgewiesen wurden. Dieser Wert ist 6-mal höher als der Wert der mit Covid-19 infiziert gemeldeten Kindern der Region. Alter und Geschlecht schienen dabei keinen wichtigen Unterschied zu machen, auch wenn der Anteil unter den 7- bis 18-Jährigen etwas höher war als unter den 0- bis 6-Jährigen, hier geht es zur Quelle. Es waren also viel mehr Kinder infiziert als gemeldet. Eine andere Studie bestätigte, dass im Blut von Erwachsenen ein viermal höherer Wert an Antikörpern festgestellt wurde als öffentlich gemeldet.
Überträgt man diese Ergebnisse in Inzidenzwerte, dann zeigt sich, dass nach dieser Studie die Ansteckungswahrscheinlichkeit bei 10- bis 19-jährigen Jugendlichen sogar deutlich höher ist als der Durchschnitt aller Altersgruppen – wie die Abbildung unten zeigt. Zwar bleibt sie bei Kindern unterhalb der durchschnittlichen Entwicklung, sie nähert sich aber auch hier deutlich an.
Aus diese Erkenntnissen könnte man folgern, dass die Ansteckungswahrscheinlichkeit von Kindern genauso hoch ist wie bei Erwachsenen: Der Virologe Christian Drosten hatte dies bereits im Frühjahr auf Basis eine seiner Studien ähnlich festgestellt. Die Grafik oben würde sogar darauf verweisen, dass Teenager ansteckender wären als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Was bedeutet das für die gesamte Bevölkerung?
Wenn diese Einschätzung richtig wäre, dann bleibt immer noch die Frage offen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kind andere Personen ansteckt, seien es Kinder oder Erwachsene, um mögliche Reaktionen auf die Ergebnisse in Gang zu setzen. Unsere zugespitzte Umfrage, ob Schule offen bleiben oder geschlossen werden sollten, hat gezeigt, dass Eltern hier sehr unterschiedliche Präferenzen haben.
Und was heißt das jetzt zusammengefasst?
Diese Ergebnisse lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen: Unterschiedliche Forschungsansätze führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, eine gesicherte Basis liegt weiterhin nicht vor und die Kurve der Infektionen stieg in den letzten Wochen sowohl bei Erwachsenen als auch bei größeren wie kleineren Kindern deutlich an. Auch die kleineren Kinder hinken der Gesamtentwicklung meist nur wenige Wochen hinterher – die (scheinbar) geringere Infektionszahl ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie seltener Symptome zeigen.
Eine Übersicht mit einer Zusammenfassung weiterer Studien gibt es hier.
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